„Einen alten Schatz gehoben“ Drei Fragen an Gabriele Werth zu Ingeborg Schobers „Die Zukunft war gestern“

Hallo zusammen. Der gestrige Beitrag über Ingeborg Schober in der TAZ ist bei Euch auf ein großes Echo gestoßen. Das freut mich sehr. Ich habe sie noch auf den Zündfunk von Bayern2 hören können… Das Buch habe ich bestellt und natürlich direkt beim Verlag. Diesen möchte ich unterstützen …



„Sie war die einzige Frau, zu der man überhaupt aufblicken konnte, weil sie die einzige Frau in diesem Männerhaufen war – eben in dieser Musikredaktion –, die sich da Respekt verschafft hat.“

Sandra Maischberger

Du hast mit Ingeborg Schober viele Projekte geplant und besprochen. Eines davon ist der vorliegende Reader, der nun mehr als zehn Jahre nach ihrem Tod erscheint. Was konntest du von der damaligen Planung umsetzen, und was wäre Ingeborg deiner Meinung nach wichtig für diese Sammlung gewesen?

Den Reader hatten Ingeborg und ich Anfang der 90er geplant. Ich hatte damals noch jede Menge alte Sounds-Hefte, habe darin nach ihren Artikeln geschaut und viele davon kopiert und zusammengeheftet – das war als Geschenk für Ingeborg gedacht. Sie war ganz begeistert davon und wir beide meinten dann, dass diese alten Texte nicht nur ein Zeitdokument, sondern auch inhaltlich für viele noch interessant wären. Daraus entstand dann eine grobe Planung für ein »Jubiläumsbuch« mit ihren Texten, das 1992 erscheinen sollte. Es gab einige Schwerpunkte – Bands und Künstler, die ihr sehr am Herzen lagen wie die Sparks, Kevin Ayers, Eno, Kraftwerk, Marianne Faithfull, DAF, Talking Heads und The Human League – aber auch Events, über die sie geschrieben hatte: Bob Dylans Konzert in Japan und ihre zweiteilige Düsseldorf-Reportage. Ich freue mich, dass all diese Schwerpunkte in unserem Buch berücksichtigt werden konnten. © Texte + Fotos: Verlag Alexander Reiffer




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„Die mit den Lemmingen tanzte“ Ingeborg Schober – Pionierin des Popjournalismus

Hippie-Mädchen mit vollem Notizblock: Ingeborg Schober schrieb über Pop mit Begeisterung und genau. Eine Anthologie erlaubt ihre Wiederentdeckung. Von Julia Lorenz

Da passte der Portier einen Moment lang nicht auf. Eine Sekunde der Unachtsamkeit, und schon hatte Ingeborg Schober, die Frau, die der Münchner Hotelmitarbeiter für ein Groupie hielt, einen Blick auf die Telefonliste des Hauses erhascht. Wenig später klopfte sie an die Tür der US-Musiker Stephen Stills und Chris Hillman.

Anders, als der Portier annahm, war Ingeborg Schober kein Groupie, sondern Journalistin. 1972 sollte sie Stills und Hillman, die damals gerade die Band Manassas gegründet hatten, fürs Feuilleton der Süddeutschen Zeitung interviewen. Zum vereinbarten Termin aber steht sie vor verschlossenen Türen: Offensichtlich wurde die Pressekonferenz abgesagt, ohne ihr Bescheid zu geben. Schober irrt durch die Stadt, telefoniert ihre Kontakte ab, wird von einem windigen Promoter erst aufs Oktoberfest ein- und dann wieder ausgeladen, um Manassas dort zu sprechen….

..Schober war ein Fan – aber ein unbestechlicher. Als sie nach der eingangs beschriebenen Suche Stephen Stills und Chris Hillman endlich sprechen kann, gibt sie den beiden freundlich zu verstehen, dass sie ihr letztes Konzert ziemlich vergurkt haben.

Trotz dieser Verdienste, trotz ihrer Biografien über Janis Joplin und Jim Morrison erging es Schober wie vielen Frauen, die sich früh im Musikjournalismus behauptet haben – etwa Ellen Willis in den USA und Lilian Roxon in England: Allen, die mit ihren Artikeln und Radiosendungen aufgewachsen sind, ist sie unvergessen, der breiten Masse hingegen kaum bekannt. Ihre (Wieder-)Entdeckung wäre überfällig. Schließlich hätten Portiers Journalistinnen, die in Hotel-Lobbys auf Musiker warten, ohne Ingeborg Schober vielleicht noch länger für Groupies gehalten.



Ingeborg Schober: „Die Zukunft war gestern“, Hrsg. von Gabriele Werth, Verlag Andreas Reiffer, Braunschweig 2021, Hardcover, 400 Seiten, 24 Euro

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